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Kostenlose Tarife, öffentliche Verfügbarkeit und zeitlicher Zusammenhang bei Alternativbeförderung

Kostenlose Tarife, öffentliche Verfügbarkeit und zeitlicher Zusammenhang bei Alternativbeförderung

Die erste Entscheidung des EuGH im Jahr 2025 (C-516/23) bringt wichtige Klarstellungen zur Auslegung der Fluggastrechte-VO. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens standen Fragen zur Anwendung der Verordnung im Mittelpunkt, insbesondere in Hinblick auf nicht für die Öffentlichkeit unmittelbar oder mittelbar verfügbare bzw. kostenlose Tarife sowie den zeitlichen Zusammenhang zwischen einem annullierten Flug und einer Alternativbeförderung.

Der EuGH stellte klar, dass Fluggäste nicht im Sinne von Art 3 Abs 3 S 1, erste Variante, Verordnung (EG) Nr. 261/2004 „kostenlos“ reisen, wenn sie für die Flugbuchung Luftverkehrssteuern und Gebühren entrichten mussten. Steuern und Gebühren sind integrale Bestandteile des Flugscheins und nicht davon ausgenommen. Ein Fluggast reist daher nur dann zu einem kostenlosen Tarif, wenn er seinen Flugschein ohne jegliche Gegenleistung erhält.

Hinsichtlich der zweiten Variante von Art 3 Abs 3 S 1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 entschied der EuGH, dass ein Tarif nicht als „für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar“ gilt, wenn der Flugschein im Rahmen einer Werbeaktion gebucht wurde. Solche Aktionen, auch wenn sie zeitlich und mengenmäßig begrenzt sind und sich an eine spezifische Berufsgruppe richten, gelten als für die Öffentlichkeit verfügbar.

Ein Tarif ist hingegen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, wenn die Zielgruppe, für die er angeboten wird, hinreichend klar definiert ist. Eine Gruppe von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die lediglich abstrakt und ohne nähere Angaben zu spezifischen Merkmalen beschrieben wird, und bei der die Ausstellung von Flugscheinen keiner einzelfallbezogenen Zustimmung unterliegt, fällt unter die Definition eines für die Öffentlichkeit bestimmten Tarifs.

Abschließend äußerte sich der EuGH zur Frage des zeitlichen Zusammenhangs zwischen einem annullierten Flug und einer anderweitigen Beförderung gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. c Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Demnach ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem annullierten Flug und dem gewünschten alternativen Flug nicht erforderlich. Eine anderweitige Beförderung zum Endziel kann, vorbehaltlich verfügbarer Plätze und zu vergleichbaren Reisebedingungen, auch zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden.

Für Fragen zu Passenger Claims in Österreich steht Ihnen unser erfahrenes Aviation Team gerne zur Verfügung.

Passenger Mobility Package

Das Passenger Mobility Package – ein Überblick

Jährlich werden in der EU über 13 Milliarden Reisen mit Flugzeug, Bahn, Reisebus, Bus oder Fähre unternommen. Allein im Jahr 2022 wurden 55,5 Millionen Pauschalreisen in der EU verkauft. Der Schutz und die kontinuierliche Verbesserung der Rechte der Reisenden sind daher zu einer zentralen Initiative der Europäischen Union geworden.

Im November 2023 hat die Europäische Kommission das sogenannte „Passenger Mobility Package“ veröffentlicht. Dieses Paket zielt u.a. darauf ab, die Rechte der Passagiere zu stärken und wirksamere Vorschriften für Pauschalreisen einzuführen.

Stärkung der Passagierrechte

In den Passagierverordnungen zum Flug-, Bahn-, Schiff- und Busverkehr sind weitgehend ähnliche Änderungen vorgesehen. Einerseits werden die nationalen Durchsetzungsstellen – in Österreich etwa die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) – zu einer intensiveren Überwachung verpflichtet. Diese soll sowohl angekündigt als auch unangekündigt durch Audits, Inspektionen, Befragungen, Überprüfungen und Einsichtnahmen in Unterlagen erfolgen.

Andererseits soll die Bereitstellung von Informationen zu Passagierrechten künftig auch auf elektronischem Wege erfolgen. Zudem ist die Einführung eines einheitlichen Erstattungsformulars geplant, das den Reisenden jedoch nicht zwingend vorgeschrieben wird. Der Vorschlag sieht auch Lösungen für Erstattungsprobleme bei Flugtickets vor, die über Reisevermittler gebucht wurden.

Das „Passenger Mobility Package“ enthält außerdem eine neue Verordnung für Reisende, die verschiedene Verkehrsmittel wie Flugzeug, Bahn und Bus nutzen und aufgrund von Verspätungen den Anschluss verpassen. Die VO für multimodales Reisen schließt diese bisherige Lücke und sieht bei Verpassen des Anschlusses u.a. Erstattungsregelungen vor, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftungsfreizeichnung für Online-Reisevermittler möglich ist.

Wirksamere Vorschriften für Pauschalreisen

Eine wesentliche Neuerung in der Pauschalreise-RL betrifft die Regelung zu Gutscheinen: Reisende müssen darüber informiert werden, dass sie nicht verpflichtet sind, einen Gutschein anzunehmen. Zudem muss jeder Gutschein gegen Insolvenz abgesichert sein. Der Insolvenzschutz bezieht sich jedoch nicht nur auf Gutscheine, sondern auf Rückerstattungen insgesamt und soll innerhalb von drei Monaten gewährt werden, nachdem der Reisende seinen Erstattungsantrag mit allen erforderlichen Unterlagen eingereicht hat.

Eine Rückgriffsregelung ermöglicht es dem Reiseveranstalter, vom Leistungsträger eine vollständige Erstattung aller Zahlungen innerhalb von sieben Tagen zu fordern, wenn eine Dienstleistung storniert oder nicht erbracht wurde.

Zwar wird keine europaweite Reisewarnung eingeführt, dennoch wird klargestellt, dass offizielle Reisewarnungen entscheidend für die Bewertung eines kostenlosen Rücktritts sind. Nach der Covid-19-Pandemie und angesichts aktueller Krisensituationen durch Naturkatastrophen und Kriege ist dies ein besonders wichtiger Aspekt.

Für Fragen rund um das Passenger Mobility Package steht Ihnen unser Team gerne zur Verfügung.

Incorrect Information Provided by the Tour Operator

Falsche Information des Reiseveranstalters

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in den verbundenen Rechtssachen  C-650/23 und C-705/23, dass ein Fluggast, welcher aufgrund einer Pauschalreise über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügte, auch dann Ausgleichsleistung vom ausführenden Luftfahrtunternehmen im Sinne des Art 7 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 verlangen kann, wenn eine falsche Information des Reiseveranstalters dazu führt, dass der Passagier den Flug nicht wahrnimmt, obwohl dieser wie geplant stattfand.

Die Entscheidung betrifft einen Flug von Heraklion (Griechenland) nach Linz (Österreich). Einen Tag vor dem geplanten Abflug wurde der Passagier vom Reiseveranstalter über eine Änderung der Flugzeiten und des Zielflughafens informiert. Aus diesem Grund fand sich der Passagier nicht zur Abfertigung des gegenständlichen Fluges ein. Tatsächlich wurde der Flug jedoch wie geplant durchgeführt; die Information des Reiseveranstalters war somit falsch.

Der Passagier forderte daraufhin Ausgleichsleistung vom ausführenden Luftfahrtunternehmen und stützte seinen Anspruch auf Artikel 4 der Verordnung (EG) 261/2004  (Nichtbeförderung). Diese sprach ihm das Bezirksgericht Schwechat zu, das Luftfahrtunternehmen legte jedoch gegen dieses Urteil Berufung beim Landesgericht Korneuburg ein. Die beiden Hauptargumente der Airline waren das Fehlen der Tatbestände einer Nichtbeförderung sowie der mangelnden Zurechenbarkeit einer Umbuchung durch den Reiseveranstalter.

Das Landesgericht Korneuburg initiierte ein Vorabentscheidungsverfahren und wollte vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob ein Fluggast, der im Rahmen einer Pauschalreise über eine bestätigte Buchung verfügt, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichsleistung fordern kann, wenn der Reiseveranstalter dem Fluggast ohne vorherige Rücksprache mit dem Luftfahrtunternehmen mitgeteilt hat, dass der gebuchte Flug nicht durchgeführt werden soll, obwohl dieser in Wahrheit wie geplant stattfand. Fraglich war sohin, inwiefern die falsche Information des Reiseveranstalters der Airline zugerechnet werden kann.

Der Europäische Gerichtshof entschied unter Berufung auf seine bisherige Rechtsprechung und das Ziel der Verordnung (EG) 261/2004 ,ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen für falsche Information des Reiseunternehmens an die Fluggäste betreffend die Verlegung oder Annullierung eines Fluges einzustehen hat. Weiters verwies der EuGH auf die Möglichkeit des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Regressansprüche gemäß Art 13 der VO gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen.

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