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EuGH Judikatur 2024

EuGH Judikatur 2024 zu außergewöhnlichen Umständen

Der EuGH hatte sich auch im Jahr 2024 mit außergewöhnlichen Umständen iSd Art 5 Abs 3 Fluggastrechte-VO zu befassen. Es ging hierbei insbesondere um die Fragen, ob bestimmte Konstruktionsfehler oder ein Personalmangel bei der Gepäckverladung als außergewöhnlich einzustufen wären.

Konstruktionsfehler

Wie bereits im Fall Wallentin-Hermann (C-549/07) entschieden, können versteckte Fabrikationsfehler außergewöhnliche Umstände darstellen. 2024 hatte der EuGH zwei Fälle zu Konstruktionsfehlern zu beurteilen:

  • C-385/23: Ein Konstruktionsfehler in der Treibstoffanzeige eines neuartigen Flugzeugmodells.
  • C-411/23: Ein Konstruktionsfehler am Triebwerk, der dem Luftfahrtunternehmen bereits Monate vor der Störung mitgeteilt worden war.

In beiden Rechtssachen kam der EuGH zu dem Schluss, dass es sich bei den vorliegenden Konstruktionsfehlern um außergewöhnliche Umstände handelt. Konstruktionsfehler seien nämlich nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens, wenn der Hersteller des Fluggeräts nach Inbetriebnahme entdeckt, dass diese einen versteckten Fabrikationsfehler aufweisen, der die Flugsicherheit beeinträchtigt. Zudem sei ein solcher Fehler von einem Luftfahrtunternehmen auch nicht beherrschbar.

Besonders im Fall C-411/23 stellte der EuGH klar, dass es unerheblich ist, wann das Luftfahrtunternehmen von dem Fehler Kenntnis erhält, sofern der Fehler zum Zeitpunkt der Annullierung bereits vorlag und das Luftfahrtunternehmen ihn nicht kontrollieren konnte.

Personalmangel bei der Gepäckverladung

In der Rs. Touristic Aviation Services (C-405/23) ging es um die Frage, ob es sich bei einem Personalmangel des Flughafenbetreibers bei der Gepäckverladung um einen außergewöhnlichen Umstand handle.

Dabei griff der EuGH auf die Grundsätze aus dem Fall SATA (C-308/21) zurück, der sich mit dem Ausfall des Betankungssystems eines Flughafenbetreibers befasste. Der Gerichtshof argumentierte, dass eine Beherrschbarkeit des Ereignisses ausgeschlossen ist, wenn das Luftfahrtunternehmen keine Kontrolle über den Flughafenbetreiber hat.

Zudem äußerte sich der EuGH zu zumutbaren Maßnahmen: In solchen Fällen könne es zumutbar sein, vorbeugend auf Dienste eines alternativen Dienstleisters zurückzugreifen, um den Flugbetrieb sicherzustellen.

Für Fragen zur EuGH Judikatur 2024 zu außergewöhnlichen Umständen sowie generell zu Passenger Claims in Österreich steht Ihnen unser erfahrenes Aviation Team gerne zur Verfügung.

The necessity to suffer a loss of time to receive compensation

Ausgleichsleistungen nur bei tatsächlichem Zeitverlust

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinen neuesten Urteilen in den Fällen C-474/22 und C-54/23 klargestellt, dass Passagiere Ausgleichsleistungen nach der Verordnung (EG) 261/2004 im Falle von Flugverspätungen nur dann erhalten, wenn sie dadurch tatsächlich einen Zeitverlust erleiden. Fluggäste haben somit insbesondere dann keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen bei Flugverspätungen, wenn sie nicht zur Abfertigung erschienen sind.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Rechtssache Sturgeon, C-402/07 und C-432/07) haben Passagiere, deren Flüge mehr als drei Stunden verspätet ankommen, grundsätzlich ebenso ein Recht auf Ausgleichsleistungen wie Fluggäste von annullierten Flügen. Die aktuellen EuGH-Urteile verdeutlichen jedoch, dass es  weiterhin signifikante Unterschiede zwischen annullierten und erheblich verspäteten Flügen gibt.

In beiden Fällen ging es um Flüge von Düsseldorf (Deutschland) nach Palma de Mallorca (Spanien), bei denen die ausführenden Luftfahrtunternehmen bereits vorab erhebliche Verspätungen ankündigten. In der Rechtssache C-474/22 entschied sich der Fluggast nach Benachrichtigung über die voraussichtliche Verspätung, den Flug nicht anzutreten. In der Folge trat er seine Rechte an das Unternehmen Flightright ab, welches daraufhin die betroffene Airline auf Zahlung einer Ausgleichsleistung verklagte. In der Rechtssache C-54/23 entschied sich ein anderer Fluggast dafür, selbst einen alternativen Flug zu buchen, durch den er mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden an seinem Ziel ankam.

Der EuGH entschied nun, dass beide Passagiere keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben. Er stützte sich dabei auf Artikel 3 der Fluggastrechte-Verordnung, wonach diese Verordnung nur dann anwendbar ist, wenn sich die Fluggäste – außer bei Annullierungen – rechtzeitig zur Abfertigung einfinden. Die Fluggäste argumentierten, dass dies nicht erforderlich sein soll, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen bereits angekündigt hatte, dass sich der Flug um mehr als drei Stunden verspäten wird, da solche erheblichen Verspätungen wie Annullierungen behandelt werden müssten.

Der EuGH folgte dieser Argumentation nicht und führte aus, dass seine Entscheidung in der Rechtssache Sturgeon darauf beruhte, dass Fluggäste, die eine Verspätung von drei Stunden oder mehr erleiden, einen irreversiblen Zeitverlust und daher ähnliche Unannehmlichkeiten wie Fluggäste bei annullierten Flügen erleiden. Nach Ansicht des EuGH dient die Ausgleichsleistung dem Ausgleich für diesen Zeitverlust. Da die Fluggäste in den aktuellen Fällen entweder ihre Flüge nicht antraten oder ihre Verspätung durch alternative Buchungen reduzieren konnten, erlitten sie diesen Zeitverlust eben nicht und haben daher keinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechte-Verordnung.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die betroffenen Passagiere ggfs. andere Rechte aus der Verordnung (EG) 261/2004 oder dem jeweils anwendbaren Recht haben können, wie etwa auf Rückerstattung der Ticketkosten der ursprünglichen Flüge oder auf Ersatz der Kosten für die von ihnen gebuchten Alternativflüge.

Für Fragen zu Passenger Claims in Österreich steht Ihnen unser erfahrenes Aviation Team gerne zur Verfügung.